Sonntag, 2. Juni 2013

Hunde-Hotel

Hier schlafe ich

Von der Bettgefährtin bis zum Frühsport: Für 80 Euro pro Nacht bietet die erste Luxushotelkette für Hunde artgerechten Service

CANIS RESORT ist die weltweit erste Hundehotel-Kette mit Luxus-Standard
CANIS RESORT übertrifft bei weitem den Standard jeder herkömmlichen Hundepension. Unser Hundehotel wird höchsten Hundeansprüchen gerecht. Aktuell in Freising bei München. Mehr...


HUNDETRAINING
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GROOMING
Viele Rassehunde und Mischlinge benötigen gelegentlich ganz besondere Anwendungen für Haut und Haar. Daher haben Sie bei uns die Möglichkeit, einen Termin bei einem unserer zertifizierten Hunde-Coiffeure zu buchen. Mehr...

Die Frau im Lederdress springt aus dem Auto, hechtet über den Parkplatz und drückt die Klingel, über der ein Windhund-Logo prangt. »In zwei Stunden geht mein Flieger«, sagt Ina Messerschmidt. »Ich muss jetzt ganz schnell Teddy abgeben.« Sie tätschelt den weißen Terrier, der sich zitternd und winselnd an ihre hochhackigen Stiefel schmiegt.

Die zwei stehen vor dem Canis Resort, dem ersten Luxuskettenhotel für Hunde. Zwischen Waschstraße und Grüne-Wiese-Supermärkten eröffnete jetzt das Stammhaus: ein Wiesengrund mit Blockhaus und Designerhütten in Freising, zehn Autominuten vom Münchner Flughafen entfernt.

Teddy ist der erste Schlafgast und etwas aufgeregt. Er kriecht unter den hellblauen Empfangstisch. Die Rezeptionistin Katja Rost reicht Kaffee und Leckerli und notiert Teddys Eigenheiten: Er keift, wenn Fremde ihn anfassen. Er hat eine Insektenstich-Allergie. Er liebt Bälle, aber nur die weichen. Und er buddelt gern, sagt Ina Messerschmidt und schaut durch die Glasfront hinaus auf den Rasen, auf dem heute, am Eröffnungstag, noch jeder Halm strammsteht. »Da wird er Löcher reingraben. Er sucht gerne nach Mäusen.« Die Geschäftsfrau muss oft beruflich verreisen. »Und ich habe niemanden, der auf Teddy aufpasst.« Sie greift ihre Handtasche und drückt Rost die Leine in die Hand. »Wenn er weint, rufen Sie mich an, ja?«, sagt sie und eilt hinaus. Teddy dreht den Kopf und schaut ihr nach. Dann trottet er mit der Rezeptionistin in die Gartenanlage hinaus.

Inmitten von Bäumen stehen hier neun braune Blockhütten, die sich »Lodges« nennen statt Zwinger – für achtzig Euro pro Hund und Nacht soll nichts nach Tierheim klingen. Jede Lodge hat einen kleinen Garten, in dem britischer Polorasen ausgerollt ist; er gilt als sehr trittfest. Die Hütten sind mit rutschfestem Epoxitharz ausgegossen und von dezentem Stahlgeflecht umzäunt. Der Luxusgast nächtigt ausbruchssicher und in Gesellschaft.

Rost führt den Terrier auf die große Spielwiese hinter den Lodges und macht ihn mit seinen Mitbewohnerinnen Panda und Jara bekannt. Die langbeinigen Mischlingshündinnen gehören Angestellten. »Die sind sehr lieb. Die haben sicher Spaß zusammen.« Teddys Rute rotiert wie ein Propeller. Er trippelt wiesenaufwärts, wiesenabwärts, immer den drahtigen Damen nach. Endlich erreicht er Pandas Hintern und schnuppert, dann besinnt er sich auf seine Männerpflichten: Er läuft von Strauch zu Strauch und hebt das Bein.

Der erste Gast lebt sich schnell ein. Bald ist er nicht mehr zu bremsen. Teddy robbt durch die Schneehaufen. Er wälzt sich auf dem Rücken. Dann flitzt er in wilden Kreisen über das Gras. Er sieht auch nicht mehr wie ein West Highland White Terrier aus, sondern straßenkötergrau. Wasser tropft von seinen Bauchzotteln.

Ein paar Meter weiter oben, im Aufenthaltsraum über der Rezeption, stehen Sabine und Thomas Gerteis und schauen durch die Glasfassade auf die schneebedeckten Lodgedächer hinab. Sabine Gerteis hat Kynologie studiert, die Lehre vom Hund. Sie suchte einen Job, der sich mit ihren fünf Hunden verbinden lässt – und hat dabei, wie sie glaubt, eine Marktlücke gefunden. »Natürlich gibt es auch jetzt schon Hundehotels. Aber das sind Einzelbetriebe. Wir wollen eine richtige Kette betreiben – mit Resorts vielerorts in Deutschland und Europa.« Für das Stammhaus hat sie 14 »Dogsitter« eingestellt, junge Frauen, die vorher in Zoos oder Tierheimen gearbeitet haben. Sie hat einen Hundetrainer engagiert, der die Sitterinnen in Körpersprache und Konfliktmanagement schult. Und ihren Bruder überzeugt, sich um die Finanzen zu kümmern.

Thomas Gerteis ist der Einzige hier, der Hemd und Stoffhose trägt statt wetterfesten Sportdress. Er spricht auch nicht von Hunden und Haltern, sondern vom »pet market« und von der »Zukunftsbranche Hospitality«. Die Deutschen gäben fast vier Milliarden Euro im Jahr für ihre Haustiere aus. Sie gönnten ihnen Biofutter und ökologisch gebeiztes Spielzeug. »Warum nicht auch ein schickes Urlaubsdomizil?«

Das Resort buhlt um eine Zielgruppe, die wächst: mobile und allein lebende Tierhalter. Rentnerinnen möchten weder auf die Fernreise verzichten noch auf den Schoßhund. Auch für viele Großstadtsingles sind Hunde eine willkommene Gesellschaft. »Die Deutschen werden immer älter und kinderloser«, sagt Gerteis. »Da schaffen sich manche einen Hund als Kind- oder Enkelersatz an.«

Am frühen Nachmittag kommt die zweite Kundin: Felicitas Beck aus Neufahrn. Ihre Hunde hat sie daheim gelassen. Sie will sich erst einmal davon überzeugen, dass es ihnen hier auch gefiele. Sie rüttelt am Zaun, »sehr stabil«, lugt in die Lodges und lässt sich die Futterküche zeigen. Zwar sei es ihren beiden Hunden egal, ob sie im Kuhstall schliefen oder im Luxushotel. »Aber ich habe dann ein besseres Gewissen. Außerdem gefällt mir, dass hier viel Programm geboten wird«, sagt sie und schaut hinüber zu Dogsitterin Maren Thullen, die sich als Hunde-Animateurin betätigt. Teddy wird geknuddelt und gebürstet. Er bekommt eine Leine aus rundgenähtem Elchleder und eine Schlafdecke im Farbton Cognac.

Wenn Frauchen gewollt hätte, hätte sie ihm auch ein Beautyprogramm buchen können: Gegen Aufpreis kommt Childrick Lennartz, der Udo Walz unter den Hundecoiffeuren, schamponiert und föhnt oder schneidet eine Showfrisur. Mehr Show ist im Canis Resort allerdings unerwünscht. Sabine Gerteis hält nichts davon, Hunde auf Seide zu betten oder aus goldenen Näpfen trinken zu lassen. »Das gefällt nur den Besitzern«, sagt sie. »Für einen Hund heißt Luxus, dass er den ganzen Tag Sozialkontakte hat. Zu Menschen und zu anderen Hunden.«

Es ist Abend geworden. Die Lodges werden nur noch vom Laternenschein erhellt. Vom Parkplatz naht eine weitere Kundin. Nina Wernthaler ist 30 und trägt einen fröhlichen Ringelrolli. Ihre Juni ist ein braun-weißer Mischling, an dem ein Border-Collie mitgewirkt hat. »Ob es hier schick aussieht, ist mir egal«, sagt Wernthaler und geht zum Check-in. Juni legt sich zu ihren Füßen. »Für mich war entscheidend, dass hier rund um die Uhr geöffnet ist.« In ihrer alten Hundepension musste sie Juni bis 18 Uhr gebracht haben. »So früh komme ich aber nicht los aus dem Büro.« Und ihrer Mutter möchte sie den Hund nicht zumuten: »Juni ist etwas schwierig.« Wernthaler beugt sich hinab und zerzaust Junis Stirnhaar. »Mäusele, ich sag jetzt Tschüss. Ich muss zum Flieger.« Juni springt auf. Ohne einen Blick zurück läuft sie mit der Dogsitterin in den Garten hinaus. »Die Treue ist nicht sehr ausgeprägt bei diesem Hund«, sagt Wernthaler und grinst.

Eine Stunde später ist Ruhe eingekehrt. Teddy schlummert in einem Hundebett aus schwarzem Kunstleder. Am anderen Ende der Lodge liegt Juni zusammengerollt auf ihrer Flauschdecke. Die Hotelcrew hat sich in den Hellholzraum über der Rezeption zurückgezogen. Die Hunde hütet sie jetzt per Monitor. Alle Lodges sind videoüberwacht. Der Luxushund soll eine ungestörte Nachtruhe genießen – bis dann Punkt sechs der Frühsport auf der Spielwiese beginnt.

1,2 Millionen Euro haben die Betreiber in das Canis Resort nahe dem Münchner Flughafen investiert. Im nächsten Jahr sollen die ersten Filialen eröffnen

© Michael Herdlein

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